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Das Craft Bier Land USA

31. Januar 2023
31. Januar 2023

Willkommen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Willkommen in den USA

Wenn man an Craft Bier denkt, kommen einem zuallererst die USA in den Sinn. Im Mekka des Craftbieres wurden 2021 9.247 Craft-Bier-Brauereien gezählt. Dazu gehören ca. 3.300 Brewpubs, 3.700 Taprooms und über 1.800 Mikrobrauereien. Die American Homebrewers Association schätzt außerdem die Zahl der Hausbrauer in den USA auf etwa eine Million.

Der Pro-Kopf-Verbrauch an Bier liegt dennoch „lediglich“ bei 68 L im Jahr, im Vergleich zu Deutschland mit 92 L oder dem Bierweltmeister Tschechien mit 135 L (alle Zahlen aus 2021).

Produziert werden in den USA 230 Mio. hL im Jahr (bei 312 Millionen Einwohnern), in Deutschland sind es 85 Mio. hL.

Die Marktanteile in Amerika sind folgendermaßen verteilt Anheuser-Busch (Sitz in Saint Louis) führt mit 47 % vor Miller-Coors (Sitz in Chicago) mit 34 %.  Da sind schonmal 81 % vergeben. Die Craft Bier Brauereien Sierra Nevada und New Belgium liegen auf Platz 7 und 8. Am weitesten verbreitet sind die Lagerbiere von Budweiser und Busch, und das vor allem als Lightbier. Wobei z.B. das Bud 5,0 % und das Bud Light 4,2 % Alkohol hat.

Kurzer Einschub: das Budweiser aus den USA, kurz „Bud“, hat nichts mit dem bei uns sehr beliebten Budweiser aus unserem Nachbarland Tschechien zu tun. Der Streit um die Namensrechte gilt als einer der umfassendsten und langwierigsten überhaupt und beschäftigt seit über 100 Jahren einige Gerichte weltweit. In den USA und in Kanada besitzt Anheuser-Busch die Markenrechte für Budweiser. Das tschechische Budweiser wird dort als “Czechvar“ vertrieben. In Europa gilt das tschechische Budweiser als Budweiser, während das Bier von Anheuser-Busch als Bud angeboten wird.

Das amerikanische Budweiser wird übrigens nicht nur mit Malz, sondern auch mit Reis gebraut. Jetzt aber zurück zu wirklich spannenden Themen.

Woher kommt eigentlich der Trend zum Craft Bier?

Die USA hat, bedingt durch die vielen europäischen Einwanderer eine lebendige Bierszene. So gab es in den 1880ern schon über 2.000 Brauereien in den USA. Dann kam die Prohibition. 1919 wurde die Herstellung und der Verkauf von Alkohol verboten. Das Ganze hielt bis 1933 an. Das haben nur einige wenige Großbrauereien überlebt. Als 1978 das Heimbrauverbot aufgehoben wurde, gab es noch 89 Brauereien. Jetzt besannen sich viele Amerikaner auf die Bierkultur und alte Bierkreationen. So entstand die Craft Bier Szene. Mittlerweile ist sie ein Mekka der Extreme. Hier findet man alles, was es gibt und nicht gibt. Von einem Reinheitsgebot, wie bei uns zulande, hat hier noch niemand etwas gehört. Viel hilft viel – also wird alles ausprobiert und die verschiedensten Zutaten getestet.

Durch den Osten der USA

Wir sind endlich mit unserem Pajero unterwegs. An das Gefühl auf einem fremden Kontinent, 5.000 km Luftlinie von zuhause entfernt, mit dem eigenen Auto unterwegs zu sein, mussten wir uns erstmal gewöhnen. Unser Weg führt uns zunächst entlang der Ostküste der USA.

In New York gibt es die leckeren Biere der Brooklyn Brewery vom preisgekrönten und fast schon legendären Braumeister Garrett Oliver. Das Brooklyn Lager (American Amber Lager, 5,2 % Alkohol) hat 2018 auch die Goldmedaille beim World Beer Cup gewonnen – zurecht. Denn die schönen fruchtigen Noten nach Grapefruit passen perfekt zum leichten Toffee- bzw. Karamellaroma. Auch das East IPA kann sich sehen lassen und überzeugt auf ganzer Linie mit seinen 6,9 % Alkohol und einer ordentlichen Hopfennote mit schönen Zitrusaromen. Die knackigen 47 IBU sind ausgewogen und passen perfekt dazu.

Die IPAs im Osten der USA sind ausbalanciert in der Hopfengabe und werden von einer angenehmen Malzsüße begleitet, während die IPAs der Westküste eher trockener sind und der Fokus komplett auf Bitterkeit und den harzigen Aromen liegt.

Die Bierpreise in den USA haben sich gewaschen. Im Supermarkt zahlt man für eine 0,33 L Dose Busch circa 1,50 €. Craft Bier geht bei ca. 3 € los. Es gibt Kartons mit 6 bis 30 Dosen zu kaufen. Und auch schöne abgemischte Carft Bier-Pakete, sodass man sich gut durchprobieren kann. Im Restaurant oder in der Kneipe liegen die Preise zwischen 7 und 10 €. Beim Baseball im Stadion kostet die 0,7 L Dose „Billigbier“ satte 17 €.  Da ist der Bierdurst direkt gelöscht.

Übrigens ist es in den USA verboten in der Öffentlichkeit Alkohol zu konsumieren. Deshalb gibt’s im Supermarkt direkt eine Papiertüte in passender Größe zur Bierflasche dazu. Ist das Bier darin eingepackt, darf man es trinken. Das macht doch Sinn.

Richtig gute Sauerbiere und IPAs finden sich auch in Nashville, der Country-Hochburg der USA. Honky Tonk Brewing lockt seit 2012 mit dem Slogan „Serious beer from irrevent people“. Allgemein sind die Bierdosen hier kunterbunt und mit vielen lustigen Sprüchen versehen, was das Biertrinken auch so zu einem Erlebnis macht. Schon 2003 startete Yazoo Brewing mit einer eigenen Brauerei in Nashville. Ein schönes Beispiel für den Weg vom ambitionierten Heim- und Hobbybrauer zur eigenen Brauerei, den Linus Hall hier gezeigt hat.

Ein Bier, dass eher aussieht wie eine Flasche Jack Daniels, gibt’s von Hap and Harry´s. Hap Motlow, aus der legendären Familie Jack Daniel aus Lynchburg, Tennessee, sagte zu seinem Freund Harry Lipman: „Um großartigen Whisky zu machen, musst du großartiges Bier machen.“ Gesagt, getan. Hap & Harry’s Tennessee Beers ehren die Freundschaft, die diese beiden Männer vor über einem halben Jahrhundert geteilt haben, bis heute. Man trinkt hier auf tolle Freunde und tolles Bier!

Unser nächster Stopp führt uns nach Saint Louis in Missouri am Mississippi. Aber nicht der Bierriese Anheuser-Busch führt uns hierher, sondern unsere Familiengeschichte. Ein Ur-, Ur-, Ur-, … Großvater der Vatterodts ist Anfang 1800 vom Eichsfeld in Thüringen aus Richtung USA aufgebrochen, um dort dem großen Traum von Freiheit und Wohlstand nachzugehen. Aus dieser Auswanderung wurde ein ganzer „Vatterodt-Clan“ mit über 200 Familienmitgliedern allein in Saint Louis. Einige davon empfangen uns (unbekannterweise) für einige Tage mit offenen Armen und sind ganz gespannt auf unsere Geschichte. Bei einem kurzerhand einberufenen Familientreffen und einem Lohrmanns, dass in der Anheuser-Busch-Hochburg übrigens sehr gut ankommt, wird viel erzählt und so kommt raus, dass ich nicht die einzige „Vatterodt“ mit einer Bierleidenschaft bin. Der Ex-Mann einer Cousine hat eine eigene Craft Bier Brauerei in Saint Louis, die wir auch direkt besichtigen konnten. Leider war Steve, der Chef, selbst in Corona-Quarantäne. 2nd Shift Brewing gibt es bereits seit 2010. Im Brauhaus mit angeschlossenem Taproom gibt es 20 Biere von Fass. Hier reicht ein Tasting-Tray beim besten Willen nicht aus.

Und weil das noch nicht genug ist zeugen etliche Bilder und Überbleibsel im Haus unserer Gastgeber davon, dass der Vater unserer Gastgeberin ein Mitgeschäftsführer der Falstaff Brauerei war, die 1903 in Saint Louis gegründet wurde.  In den 1960er Jahren war Falstaff die drittgrößte Brauerei in Amerika mit mehreren Standorten im ganzen Land. Die Übernahme der Narragansett Brewing Company aus Rhode Island für 17 Mio Dollar im Jahr 1965 erwies sich als katastrophal, da die Landesregierung von Rhode Island ein Kartellverfahren gegen Falstaff einleitete. Der Oberste Gerichtshof entschied 1973 zwar zugunsten von Falstaff, aber das Unternehmen erholte sich davon nie. Es folgten Schließungen im ganzen Land, bis 1990 auch in der letzten Falstaff-Brauerei die Lichter aus gingen. Die Pabst Brewery erlangte die Markenrechte und vertrieb bis Mai 2005 noch Falstaff Bier. Danach wurde auch hier die Produktion aufgrund fehlender Nachfrage eingestellt.

Bei einem Blick auf die Landkarte entdecken wir etwas, was uns sehr bekannt vorkommt – Dresden! Es gibt 11 „Dresdens“ in den USA, eins davon in Tennesee, und das liegt genau auf unserer Strecke. Dort angekommen parken wir vor dem Postamt und positionieren gerade die Lohrmanns-Flasche für ein schönes Foto, als wir angesprochen werden. Der Vorsitzende des ansässigen Rotarier-Clubs lädt uns ein, an der gerade stattfindenden Mitgliederversammlung teilzunehmen. Und kaum das wir uns versehen, steht Mathias hinter dem Pult und erzählt von unserer Reise, unseren Jobs und somit natürlich auch von der Gründung von Lohrmanns. Wir lassen zwei Flaschen als Geschenk für den Bürgermeister hier, der absolut fasziniert ist, dass es eine Exzellenz-Universität mit einer eigenen Brauerei in „unserem“ großen Dresden gibt. Das 3.000-Einwohner-kleine Dresden in Tennesee hat seinen Namen übrigens von Robert Weakly, einem der ersten Siedler im Jahr 1823. In Gedenken an seinen Vater, welcher in „unserem“ Dresden in Sachsen geboren wurde, nannte er die Siedlung Dresden, Tennessee. Bei einem kleinen Stadtrundgang zeigt uns der Bürgermeister persönlich das Verwaltungsgebäude und den Grabstein des Stadtgründers auf dem Friedhof.